Ausgabe 01/2023 | Generikagesetz: Fachliche Einschätzung zum Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministers


Seit einiger Zeit wird über Engpässe bei wichtigen Arzneimitteln, zum Beispiel bei Fiebersäften für Kinder berichtet. Um diese Situation zu entschärfen und nachhaltige Lösungen für eine sichere Arzneimittelversorgung zu schaffen, hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Mitte Dezember ein Eckpunktepapier mit dem Titel „Vermeidung von Lieferengpässen von Arzneimitteln, Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln und Stärkung des Produktionsstandortes EU“ vorgelegt.

Ende des letzten Jahres wurde die GWQ zu einem Austausch mit Leiter der Abteilung 1 “Arzneimittel/Medizinprodukte” des BMGnach Berlin eingeladen. Diskutiert wurde die praktische Umsetzung verschiedener Maßnahmen. Insgesamt haben die geplanten Maßnahmen nach GWQ-Einschätzung einen überschaubaren Einfluss auf die Ausgaben. An einigen Stellen erscheint jedoch Kritik angebracht.

Geplante Maßnahmen haben wenig Einfluss auf Ausgaben

Zu den vom BMG geplanten Maßnahmen gehört unter anderem, dass der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen beim BfArM eine Liste von Arzneimitteln für Kinder erstellen soll, die zur Sicherstellung der Versorgung von Kindern notwendig sind. Für diese Arzneimittel sollen dann keine Rabattverträge mehr geschlossen werden. Festbeträge werden aufgehoben und ein ggf. existierendes Preismoratorium (außerhalb von Festbetragsgruppen) wird um den Faktor 1,5 angehoben.

Die Bedeutung von Kinderarzneimitteln für Rabattverträge ist gering. Die gesamte GWQ-Gemeinschaft hat im Jahr 2022 etwa 200.000 Euro aus Rabatten für Kinderarzneimittel generiert (entspricht weniger als 1 Promille aller Rabatterlöse). Die GWQ ist und war in der Vergangenheit bereits sehr zurückhaltend bei Rabattverträgen in diesem Bereich.

Interessenskonflikte des Beirates vorhersehbar

Aus Sicht der GWQ-Experten sind die erweiterten Befugnisse des Beirates hingegen kritisch zu bewerten. Da dieser sehr „industrielastig“ besetzt ist, sind Interessenskonflikte vorprogrammiert.

Problematische Abgrenzung der betroffenen Präparate

Ein weiteres Problem ist nach Einschätzung der GWQ-Experten die Definition von „Kinderarzneimitteln“. Sind dies die klassischen „Kinderfiebersäfte“ oder auch alle Präparate, die neben einer Erwachsenenindikation auch eine Kinderindikation haben (z. B. Zulassung ab 12 Jahre)?

Eine strikte Auslegung dieser Regelung kann die GWQ mitgehen. Eine unsachgemäße Ausweitung lehnt die GWQ ab.

Langer Weg zur Ausweitung der EU-Produktion

Bei den Maßnahmen zur Diversifizierung und Stärkung der EU-Produktion neigt das Ministerium zu einer Schaufensterpolitik. Die Idee, bei Antibiotika und Zytostatika auch den Anteil der EU-Produktion bei der Zuschlagsvergabe zu berücksichtigen, wird von GWQ-Experten aus folgenden Gründen kritisch gesehen:

1) Aus unseren Ausschreibungen entnehmen wir, dass es nicht wenige Wirkstoffe gibt, zu denen es gar keine Angebote von Unternehmen mit einer Produktionsstätte in der EU gibt (z. B. Amoxicillin, Cefixim, Methotrexat).

2) Bei 75 Prozent der Zystostatika-Fachlose und 59 Prozent der Antibiotika-Fachlose wurden von Unternehmen auch europäische Standorte benannt. Allerdings entzieht es sich unserer Kenntnis, ob dort auch wirklich produziert wird und nicht doch in einem Werk in China oder Indien. Dies ist zum heutigen Stand auch nicht nachprüfbar.

3) Eingriffe des Gesetzgebers in das sensibel austarierte Vergaberecht bergen das große Risiko, dass künftige Vergabeverfahren hohen Unsicherheiten ausgesetzt sind. Dies beinhaltet die Gefahr, dass häufig der Rechtsweg beschritten werden könnte, was den Abschluss von neuen Verträgen verzögern würde.   


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