05.10.2016

Trotz vieler Gesetze: Finanzierung und Qualität der GKV bleiben Baustellen

7. Berliner Symposium der GWQ

 

„Alle Probleme wieder da?“ fragte die GWQ ServicePlus AG auf ihrem 7. Symposium am 29. September in Berlin. Das Unternehmen hatte führende Wissenschaftler und die gesundheitspolitischen Sprecherinnen aller Bundestagsfraktionen um eine Bilanz und einen Ausblick zur Gesundheitspolitik gebeten. Trotz vieler Unterschiede bei den Positionen waren sich die Experten in der Grundaussage einig. Zahlreiche offenkundige Baustellen wurden durch neue Gesetze angegangen, zugleich bleiben die grundsätzlichen Probleme auf der Agenda: Der Aspekt „Qualität“ kommt bei der Gesundheitsversorgung weiterhin zu kurz, und aufgrund der Ausgabenentwicklung wird die Finanzsituation der GKV wieder zu einem zentralen Thema. Hierzu nannten gleich drei der vier gesundheitspolitischen Sprecherinnen die gleiche Lösung: Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung und die, zumindest langfristige, Zusammenführung von GKV und PKV.

 

Die positive Botschaft des Symposiums lautete: Das System der GKV wird, anders als vor einem Jahrzehnt, nicht in Frage gestellt. So listete die GWQ-Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Gertrud Demmler in ihrer Begrüßung zwar aus Kassensicht manifeste Probleme auf – neben dem „Kernthema Finanzierung“ nannte sie z. B. Qualitätsdefizite durch unzureichendes Wissensmanagement oder die Rechtsunsicherheit von Kassen bei der Versichertenberatung –, aber sie betonte, dass es hierfür aus Kassensicht gute Lösungschancen gebe. Auch Prof. Bertram Häussler, Vorsitzender der Geschäftsführung des renommierten IGES Instituts, verwies auf Erfolge und Chancen. Beispielhaft nannte er den aus Sicht von Medizin und Versorgungswissenschaft unstrittigen Rückgang der Mortalität durch Herzerkrankungen. Eine ähnliche Entwicklung sei auch bei Krebserkrankungen absehbar, wobei das Tempo offenbar mit dem Wirtschaftswachstum korreliere.

 

Eine ebenfalls grundsätzlich positive Bilanz zog Prof. Jürgen Wasem vom Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen in Bezug zur aktuellen Gesundheitspolitik. In 10 Thesen verdeutlichte er, dass und wie die Bundesregierung auf offenkundige Herausforderungen reagiert hat, problematisierte aber auch ungelöste Aufgaben, wie die Ausgabenentwicklung, das Fehlen einer qualitätsorientierten Steuerung, die Fehlanreize durch den RSA oder den absehbaren Ärztemangel.

 

Skeptischer fällt die Bilanz des GKV-Spitzenverbandes aus, wie dessen Vorstandsvorsitzende Dr. Doris Pfeiffer erklärte. Trotz der Gesetzesinitiativen gebe es in den Bereichen Struktur, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Kapazität erheblichen Handlungsbedarf. Konkret nannte sie die stationäre wie die Landarztversorgung, Bewertung und Bepreisung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, aber auch die Digitalisierung. Zudem sieht sie eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Selbstverwaltungsgremien, denen auch nach Prof. Wasem eine „schleichende Verstaatlichung“ drohe.

 

Bei der politischen Bewertung durch die vier gesundheitspolitischen Sprecherinnen der Bundestagsfraktionen wurden unterschiedliche Allianzen erkennbar. Auf die Frage „was wurde erreicht?“ verwiesen Maria Michalk (CDU) und Hilde Mattheis (SPD) auf die verabschiedeten Gesetze, die eine Reihe der benannten Probleme lösen sollen. Man möge zunächst abwarten, ob die anstrebten Effekte erreicht werden. Beim Thema der künftigen Finanzierung der GKV lag Hilde Mattheis dann auf einer Linie mit Maria Klein-Schmeink von Bündnis 90/Die Grünen und Kathrin Vogler (Die Linke): Alle drei plädierten im Gegensatz zu Maria Michalk für eine Rückkehr zur Beitragsparität – genauso wie für eine, ggf. schrittweise, Zusammenführung von GKV und PKV.

 

Dr. Johannes Thormählen, Vorstand der GWQ, ergänzte die wissenschaftlichen und politischen Perspektiven um pragmatische Erkenntnisse aus der Analyse des Versorgungsalltags: Wenn die schon von Dr. Demmler angesprochenen Effizienzpotenziale erschlossen würden, wäre die Forderung nach „mehr Geld ins System…“ zumindest aktuell überflüssig. Der Weg dorthin führe über die konsequente Orientierung an der von den Patienten erlebten Versorgungsqualität. Mediziner sollten nicht dafür bezahlt werden, dass sie alles tun, was ihnen möglich ist, sondern dafür, was den Patienten tatsächlich hilft. Dies aber könne nur durch Wettbewerb über gute und wirtschaftliche Versorgung, durch Wahlfreiheit der Versicherten erreicht werden, nicht aber durch die eine zentrale oder lokale Versorgungsplanung in Händen politischer Gremien.


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