14.02.2022

Nachbericht zum 4. GWQ-Lunch-Talk – Schwerpunktthema Arzneimittel: „Die Weiterentwicklung des AMNOG muss dringend angegangen werden.“


Am 4. Februar kamen wiederholt zahlreiche Krankenkassenvertreter:innen zum vierten und vorerst letzten digitalen „GWQ-Lunch-Talk“ zusammen. Diesmal ging es um die Konsequenzen der gesundheitspolitischen Pläne der Ampel-Koalition für den Arzneimittelbereich und damit um die Auswirkungen für ein weiteres großes Geschäftsfeld der GWQ ServicePlus AG. Im Gegensatz zu anderen Themenfeldern, wird der Koalitionsvertrag in Bezug auf diesen Bereich bereits relativ konkret.

Inwieweit die von der neuen Regierung formulierten Ideen aus Sicht der Krankenkassen bzw. der pharmazeutischen Industrie in die richtige Richtung gehen, analysierten Thomas Hugendubel, Head of System Partnering und seit 2021 Mitglied der Geschäftsleitung Roche Pharma AG sowie der Arzneimittel-Experte und promovierte Apotheker sowie Leiter des Bereichs Arzneimittel bei der GWQ, Dr. Barthold Deiters.

Plädoyer für einen erweiterten Blick auf die Gesamtzusammenhänge

Thomas Hugendubel leitete seine Betrachtung mit einem Hinweis auf die von der neuen Regierung formuliere Innovationsorientierung ein. So wird dort beispielsweise im Kapitel über Bildung und Forschung ein modernes Gesundheitssystem als zentrales Zukunftsfeld erwähnt. Im Kapitel Wirtschaft wird eine innovative Gesundheitswirtschaft als Grundlage für weiteren medizinischen Fortschritt benannt. Bereits hier geht der Koalitionsvertrag auf die Potenziale der Digitalisierung für eine bessere Versorgungsqualität und höhere Effizienz ein.

Die darin enthaltene Anerkennung für die Gesundheitswirtschaft sowie für Investitionen in Forschung und Innovationen unterstreichen für Hugendubel die wichtige Rolle der pharmazeutischen Industrie, die mit ihren Investitionen etwa in die Biotechnologie zur Stärke des Standorts Deutschland beiträgt. In seinen Ausführungen hebt er die Bedeutung der industriellen Gesundheitswirtschaft für die Wertschöpfung und Nachhaltigkeit in Deutschland hervor. Er plädiert für ein etwas größeres Bild im Gegensatz zu einer engen Fokussierung auf Erstattungspreise. Die Pläne der Regierung, etwa die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise zu stärken, sieht er dementsprechend eher als Hemmnisse für die Innovationsoffenheit des GKV-Systems und damit auch als Standortfrage.

Gegensatz zwischen mehr Sparen und mehr Fortschritt auflösen

Die Aufgabe der nächsten Monate sieht er in der Auflösung der Gegensätzlichkeit zwischen mehr Sparen und gleichzeitig mehr Fortschritt bei Arzneimitteln zu wagen. Für ihn stehen Krankenkassen und pharmazeutische Industrie im Hinblick auf einen fairen, schnellen Zugang zu einer guten Versorgung Seite an Seite. So wie die Krankenkassen benötige auch die Pharmaindustrie dazu einen verlässlichen Rahmen.

„Wir kommen nicht um Kostensenkungsmaßnahmen herum“

Dr. Barthold Deiters stellt den weit gefassten Ausführungen von Thomas Hugendubel eine nüchterne Kostenbetrachtung gegenüber. Ausgabensteigerung bei Arzneimitteln in 2021 um über 10 Prozent (ohne Kosten für Corona-Impfstoffe) und Unterdeckung des Gesundheitsfonds in 2022 von 50 Mrd. Euro bzw. 75 Mrd. Euro in 2027 (jeweils ohne Bundeszuschüsse). Aus seiner Sicht sind die Vorschläge im Koalitionsvertrag für den Arzneimittelbereich zwar konkreter als in anderen Bereichen. Dennoch erscheinen sie bei näherer Betrachtung noch nicht ausreichend präzisiert.

In einer kritischen Betrachtung fokussiert er sich auf fünf wichtige Themenfelder. Faktenreich arbeitete er die Themenliste ab und wies auf dringende Handlungsbedarfe sowie wesentliche Schwachstellen hin. So führen die Pläne der Regierung zur Sicherstellung der Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen aus seiner Sicht an manchen Stellen auch zu ungewollten, auf Dauer möglicherweise kostenintensiven Nebeneffekten. Auch bei den Bemühungen, die Herstellung von Arzneimitteln wieder zurück in die EU zu verlagern, gilt es Gesamtzusammenhänge und insbesondere Kosteneffekte im Blick zu behalten, für die ein Ausgleich geschaffen werden muss. Die Festlegung, dass der verhandelte Erstattungspreis ab dem siebten Monat nach Markteintritt gilt sowie die Beibehaltung des Preismoratoriums, könnten aus seiner Sicht teilweise sogar noch verschärft werden. Auch im Hinblick auf die Pläne zur Weiterentwicklung des AMNOG sowie die Absicht, die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise zu stärken, zeigte er mehrere konkrete Lösungsoptionen auf wie z. B. die Absenkung der Orphan-Umsatzschwelle von 50 Mio. Euro auf 20 Mio. Euro, die Einführung eines zusätzlichen externen Preisbenchmarks bei Orphans sowie ein retrospektiv zu erhebender Zwangsabschlag von 25 Prozent auf Wirkstoffe, die in Kombinationstherapien genutzt wurden.

Wenngleich die Ideen der neuen Regierung für den Arzneimittelbereich auf den ersten Blick relativ konkret im Koalitionsvertrag formuliert zu sein scheinen, werden auch hier erst die nächsten Monate zeigen, welche Effekte sich für die Krankenkassen ergeben. Klar ist allerdings bereits jetzt: Die Kostenlast wird eher größer als kleiner. Umso wichtiger wird es sein, konsequent Maßnahmen zu ergreifen, die die eigene Wirtschaftlichkeit steigern.

Für weitere Fragen zu GWQ-Leistungen im Arzneimittelbereich wenden Sie sich bitte direkt an Herrn Dr. Barthold Deiters.


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