Mich selbst und die Gesellschaft vor der Grippe und Corona schützen
Einleitung
Diese Informationsbox soll Sie darüber informieren, wie Sie sich und andere vor einer Infektion mit dem Grippe- oder Coronavirus schützen können. Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar. Sie basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Informationsbox wurde vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz erstellt.
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Was ist eine Grippe?
Eine Grippe ist eine Erkrankung, die durch das Influenzavirus ausgelöst wird. Zu den Symptomen einer Grippe zählen typischerweise hohes Fieber, Kopf-, Glieder- und Rückenschmerzen sowie Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Heiserkeit [1, 2].
Oft wird bei grippeähnlichen Symptomen von einer Grippe gesprochen, ohne dass auf das Influenzavirus hin untersucht wurde. Grippeartige Erkrankungen umfassen in erster Linie die Grippe (Influenza) sowie andere häufige Atemwegserkrankungen, deren Symptome (z. B. hohes Fieber, Husten) denen einer Grippe so ähnlich sind, dass die Erkrankung ohne Laboruntersuchung nicht von einer Grippe unterschieden werden kann.
Die Übertragung von Influenzaviren erfolgt überwiegend durch virushaltige Tröpfchen, die insbesondere beim Niesen oder Husten ausgeschieden und über eine geringe Distanz in die Atemwege von anderen Personen gelangen können. Auch über den Kontakt mit Oberflächen (z. B. Türklinken) oder Händen, die mit virushaltigem Sekret (Speichel, Auswurf) verunreinigt sind, kann man sich anstecken [2].
Von den 334.000 bestätigten Fällen in der Grippesaison 2017/18 in Deutschland waren Personen ab 35 Jahren am häufigsten von einer Influenzainfektion betroffen [3].
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Was ist Corona und was ist COVID-19?
Das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) kann eine grippeähnliche Erkrankung auslösen, die man COVID-19 nennt. Diese Erkrankung verläuft in den meisten Fällen milde oder sehr milde. Bei manchen Menschen kann der Verlauf jedoch zu einer Lungenentzündung oder zum Tod führen [4]. Weitere Symptome können Fieber, trockener Husten, Müdigkeit oder Kurzatmigkeit sein [5].
Die Übertragung des Coronavirus erfolgt wie bei Influenzaviren überwiegend durch virushaltige Tröpfchen. Diese werden insbesondere beim Niesen, Sprechen oder Husten freigesetzt und von Kontaktpersonen über die Atemwege aufgenommen. Freigesetzte, kleinste Schwebeteilchen (Aerosole), die sich in der Luft geschlossener Räume verbreiten, bergen ebenfalls ein Infektionsrisiko. Ferner kann man sich beim Kontakt mit Oberflächen, die mit virushaltigem Sekret (Speichel, Auswurf) verunreinigt sind, anstecken (z. B. über Türklinken oder Händeschütteln) [4].
Bis zum 16. Oktober 2020 wurden dem Robert Koch-Institut deutschlandweit etwa 348.000 Infektionen mit dem Coronavirus bestätigt. Die Infektionszahlen sind zwischen den Geschlechtern über alle Altersgruppen hinweg in etwa gleich verteilt. Mit rund 135.000 Infizierten bei den 35- bis 59-Jährigen und rund 113.000 Infizierten bei den 15- bis 34-Jährigen bilden diese Gruppen mit Abstand die meisten Infektionszahlen ab [6].
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Grippe und Corona - wer ist besonders gefährdet?
Grippe und COVID-19 treten in den Herbst- und Wintermonaten zeitgleich auf. Die Gruppen, die ein hohes Risiko für schwere Verläufe haben, ähneln sich bei beiden Erkrankungen stark: Senioren, Menschen mit chronischen Leiden, Schwangere, Bewohner*innen in Alters- und Pflegeeinrichtungen. Wenn viele Menschen aus diesen Risikogruppen mit einem schweren Verlauf ins Krankenhaus müssen, kann es zu Engpässen in der Versorgung kommen. Denn Intensivbetten, Beatmungsplätze und ausgebildete Fachkräfte sind begrenzt, vor allem lokal bzw. regional.
Welche Maßnahmen helfen beim Schutz gegen Grippe und Corona?
Man kann einige Maßnahmen ergreifen, die vor beiden Krankheiten schützen können [1, 13, 14].
Um sein Immunsystem generell zu stärken, sollte man Sport treiben und sich gesund ernähren. Der beste Schutz gegen Grippe- und Coronaviren ist jedoch die Einhaltung der AHA-Regel: Abstand halten, Hygiene einhalten (Händewaschen, „Nies- und Husten-Etikette“) und Alltagsmaske tragen.
Für einige Grippeerreger gibt es zusätzlich eine sogenannte Grippeimpfung. Sie schützt nicht vor Corona.
Aber: Menschen aus Risikogruppen, die sich gegen Grippe impfen lassen, können sich vor schweren Grippeverläufen schützen und gegebenenfalls Engpässe in der Versorgung vermeiden helfen. Gefährdete Gruppen können sich gegen die Grippe impfen lassen, um schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden und somit das Gesundheitssystem zu entlasten. Diese Impfung schützt allerdings nicht vor COVID-19. Mit Blick auf die schweren Grippeverläufe kann gehandelt werden. Würden viele Menschen aus den Risikogruppen gegen Grippe geimpft, könnten schwere Verläufe und potenziell auch Engpässe in der Versorgung vermieden werden. Daher empfiehlt die STIKO mit Nachdruck, dass die verfügbaren Impfdosen vor allem Risikogruppen zur Verfügung gestellt werden und jenen, die mit ihnen in Kontakt kommen, zum Beispiel Kranken- und Altenpfleger*innen.
Laut Robert Koch-Institut gibt es keine Hinweise, dass Grippeimpfungen das Risiko an COVID-19 zu erkranken, erhöhen. Es gibt jedoch Hinweise aus Modellierungsstudien, die gegenwärtig begutachtet werden, dass eine Grippeerkrankung das Risiko an COVID-19 zu erkranken, erhöht [10].
Wie schütze ich mich selbst (und andere) vor einer Grippe?
In der Faktenbox werden die Grippeschutzimpfung und keine Impfung bzw. eine Scheinimpfung (Placebo) hinsichtlich ihres Nutzens und Schadens bei gesunden Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 16 und 65 Jahren miteinander verglichen.
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Was ist eine Grippeschutzimpfung?
Bei der Grippeschutzimpfung werden inaktive oder geschwächte Influenzaviren in den Muskel oder unter die Haut gespritzt. Das Immunsystem bildet daraufhin Antikörper für diesen speziellen Virus. Kommt eine Person in der Folge mit einem aktiven Influenzavirus derselben Art in Kontakt, kann das Immunsystem schneller auf das Virus reagieren und es bekämpfen [3].
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Wer kann eine Grippeschutzimpfung in Betracht ziehen?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts empfiehlt insbesondere Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung (z. B. ältere Menschen, Schwangere und Menschen mit chronischer Erkrankung) sich jährlich gegen die saisonale Influenza impfen zu lassen. Des Weiteren können gesunde Erwachsene, die aufgrund ihres Berufes (z. B. medizinisches Personal) in engem Kontakt mit vielen Menschen stehen oder als Überträger des Grippevirus für Risikopersonen eine Gefahr darstellen, die Grippeschutzimpfung in Betracht ziehen [2].
Aber nicht nur die Impfung von Risikogruppen kann helfen, sondern auch eine hohe Zahl von Grippeimpfungen in der Bevölkerung. Denn „Herdenimmunität“ kann Risikogruppen zusätzlich schützen.
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Was ist „Herdenimmunität“?
Die Herdenimmunität bzw. community immunity bedeutet grundsätzlich, dass immune Gemeinschaftsmitglieder nicht-immune schützen. Insbesondere Menschen aus Risikogruppen können besser dann geschützt werden, wenn eine Infektionskrankheit sie gar nicht erst erreicht. Die Grafik zeigt, wie ein einzelner Kontakt in der Theorie verhindert würde.
Jede immune Kontaktperson (z. B. Enkel, Friseur in der Abbildung) reduziert die Ansteckungsmöglichkeiten einer nicht-immunen Person aus der Risikogruppe, indem Infektionsketten der Infizierten verhindert oder gebrochen werden. In der echten Welt sind weder alle potenziellen Kontaktpersonen infiziert noch immunisiert. Die Grafik zeigt also, wie Herdenimmunität im Extremfall schützen könnte.
Herdenimmunität bietet Schutz, wenn genügend Menschen geimpft oder durch eine überstandene Erkrankung immunisiert sind. Wie viele Immune tatsächlich notwendig sind, damit das für die Gesellschaft funktioniert, hängt von der Ansteckungsfähigkeit der jeweiligen Erkrankung ab und von vielen Faktoren der Immunisierung der Bevölkerung (wann wird wer auf welche Weise immunisiert).
Abschließender Hinweis: Für die Saison 2020/21 ist von einem geringeren Schutzeffekt für die Gemeinschaft durch die Grippeschutzimpfung auszugehen, da aufgrund der kontaktreduzierenden Maßnahmen im Rahmen der Einschränkung der COVID-19-Verbreitung eine niedrige Verbreitung der Grippeviren erwartet wird [11,12].
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Wann sollte geimpft werden?
In den vergangenen Jahren hat die jährliche Influenzawelle meist nach der Jahreswende begonnen. Da es nach der Impfung etwa 10 bis 14 Tage dauert, bis der Körper genügend Antikörper gebildet hat, empfiehlt die STIKO, sich im Oktober oder November impfen zu lassen. Es kann jedoch auch zu einem späteren Zeitpunkt noch sinnvoll sein, die Impfung nachzuholen (z. B. im Verlauf der Grippewelle) [2].
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Was ist der Nutzen einer Grippeschutzimpfung? Welche Schäden können auftreten?
Möglicher Nutzen
Mögliche Schäden
Die Grafiken lesen sich wie folgt:
Von je 100 gesunden Erwachsenen ohne Impfung bzw. mit Scheinimpfung (Placebo) litten innerhalb einer Grippesaison mit niedriger Verbreitung des Grippevirus (was zum Beispiel aufgrund der Corona-Maßnahmen zu erwarten ist) etwa 2 Personen an einer bestätigten Grippe. Von je 100 Erwachsenen mit saisonaler Grippeschutzimpfung litt hingegen 1 Person an einer bestätigten Grippe in derselben Saison [7]. Das bedeutet, dass 1 von je 100 Personen durch die Grippeschutzimpfung – innerhalb einer Grippesaison mit niedriger Verbreitung des Influenzavirus – vor einer Grippe bewahrt werden kann.
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Was ist noch zu beachten?
Schwankende Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung
Der schwankende Nutzen einer Grippeschutzimpfung hängt direkt davon ab, welche Influenzaviren wo und wie stark verbreitet sind, und ob der in der jeweiligen Grippesaison gespritzte Impfstoff zu diesen Viren passt. Da jedes Jahr andere Viren stärker verbreitet sind, ist der Nutzen einer Impfung gegen das Influenzavirus für das jeweilige Jahr oder bei einem neuen Virus nicht genau vorhersehbar [7].
Auch bei einer geringeren Wirksamkeit des Grippeimpfstoffes können aufgrund der Häufigkeit der Influenza viele (schwere) Erkrankungsfälle verhindert werden. In Deutschland werden selbst bei den aktuell mäßigen Impfquoten schätzungsweise circa 400.000 Influenza-Erkrankungen pro Jahr bei Personen über 60 Jahren verhindert [8].
Grippeschutzimpfung im Kontext der COVID-19-Pandemie
Durch die COVID-19-Pandemie ergibt sich aktuell eine besondere Situation: Die Überlastung des Gesundheitssystems soll vermieden werden (z. B. Auslastung der Intensivbetten) und die Diagnose einer Erkrankung kann erleichtert werden (durch den wahrscheinlichen Ausschluss einer möglichen Infektion mit dem Influenzavirus, gegen das geimpft wurde). In diesem Zusammenhang sollte auch an die Pneumokokken-Impfung gedacht werden, da sich auch hier ähnliche Symptome wie bei der Grippe und COVID-19 zeigen können [9].
Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung bei Erkältungen
Erkältungen lassen sich durch die Grippeschutzimpfung nicht vermeiden.
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Liefern die Ergebnisse einen Beweis (Evidenz) für den Nutzen und Schaden der Grippeimpfung?
Die Aussagekraft der Ergebnisse ist insgesamt von niedriger Qualität. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zahlen zum Impfschutz in Verbindung mit der saisonalen Verbreitung des Grippevirus durch weitere Forschung verändert werden. Die Zahlen zu den impfbedingten Nebenwirkungen könnten durch weitere Forschung verändert werden.
Quellen
Diese Informationsbox wurde erstellt durch: © Harding-Zentrum für Risikokompetenz (Direktor Gerd Gigerenzer) an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg (Universität Potsdam). Die Informationen für die Informationsbox wurden den folgenden Quellen entnommen:
[1] Demicheli V, Jefferson T, Al-Ansary LA, et al. Vaccines for preventing influenza in healthy adults. Cochrane Database Syst Rev 2018; 2:CD001269.
[2] Robert-Koch-Institut. Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, „Impfstatus der Kinder und Jugendlichen in Deutschland, STIKO: Influenzaimpfungen in der COVID-19-Pandemie“. Epid Bull 2020 (32/33). Abrufbar unter: Link (15.10.2020).
[3] Buda S, Prahm K, Dürrwald R, et al. Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland Saison 2017/18. Robert-Koch-Institut (Hg.). doi: 10.17886/rkipubl-2018-003.
[4] IQWiG. Wie kann man einer Coronavirus-Infektion vorbeugen? 2020. Abrufbar unter: Link (16.10.2020).
[5] Robert-Koch-Institut. COVID-19: Bin ich betroffen und was ist zu tun? Orientierungshilfe für Bürgerinnen und Bürger. 2020. Abrufbar unter: Link (15.10.2020).
[6] Statista. Corona-Infektionen (COVID-19) in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht (Stand: 16. Oktober 2020). Abrufbar unter: Link (15.10.2020).
[7] IQWiG. Wie viel Schutz bietet eine Grippeimpfung? 2019. Abrufbar unter: Link (15.10.2020).
[8] Weidemann F et al. Is the impact of childhood influenza vaccination less than expected: a transmission modelling study. BMC Infectious Diseases, 2017, 17(1): 258.
[9] Robert-Koch-Institut. Kurz & Knapp: Faktenblätter zum Impfen, „Influenza Impfung“ 2020. Abrufbar unter: Link (15.10.2020).
[10] Robert-Koch-Institut. Kann eine Influenza-Impfung das Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, erhöhen? 2020. Abrufbar unter: Link (15.10.2020).
[11] Goerlitz L, Dürrwald R, an der Heiden M, Buchholz U, Preuß U, Prahm K et al.: Erste Ergebnisse zum Verlauf der Grippewelle in der Saison 2019/20: Mit 11 Wochen vergleichsweise kürzere Dauer und eine moderate Anzahl an Influenzabedingten Arztbesuchen. Epid Bull 2020 (16):3–6. doi: 10.25646/6674.
[12] Domenech de Celles M, Casalegno J, Lina B, Opatowski L. Influenza may facilitate the spread of SARS-CoV-2. medRxiv; 2020. DOI: 10.1101/2020.09.07.20189779.
[13] Robert-Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin. 16/2020. Abrufbar unter: Link (15.10.2020).
[14] Robert-Koch-Institut. Journal of Health Monitoring Gesundheitsverhalten und COVID-19: Erste Erkenntnisse zur Pandemie. 2020. Abrufbar unter: Link (15.10.2020).